Ich möchte euch heute eine kleine Situation schildern, die sich letztes Wochenende ereignete. Meine Gedanken und Gefühle dazu und
vielleicht auch noch ein paar kleine Denkanstöße fürs Leben.
Der Tag begann für mich schon um 6:20 als Sam wach wurde. Er war nicht ausgeschlafen, wollte aber auch nicht mehr weiterschlafen. Er
war den gesamten Vormittag ziemlich quengelig und launisch. Um halb 10 kam eine Freundin mit ihrem Baby vorbei. Sam brauchte jede Menge Aufmerksamkeit und war sehr einnehmend. Um 11 gingen wir
dann raus auf den Spielplatz. Bewegung an der frischen Luft ist an solchen Tagen immer gut. :-)
Wir gingen auf einen neuen Spielplatz, den wir bisher noch nicht erkundet hatten. Dieser liegt in einer Wohnsiedlung und es liegen
auch immer Spielsachen herum, mit denen alle Kinder spielen dürfen. Perfekt für uns, da wir unser Sandspielzeug nach einem Sommer auf diversen Spielplätzen verteilt hatten und uns dringend Neues
anschaffen müssen, aber das ist ein anderes Thema.
Sam rannte direkt zu einem großen Kipplaster und einem Trekker, setzte sich in den Sand, fing an zu spielen und war glückselig. Ich
nutzte die kleine Verschnaufpause, schrieb einer Freundin, die in der Nähe wohnte, ob sie nicht mit ihrer Tochter vorbeikommen möchte und schaute nochmal bei Instragram vorbei, ein paar
Kommentare und Nachrichten beantworten. In diesem Moment ging eine Dame auf dem Gehweg erst an mir und dann an Sam vorbei, der 10 m entfernt von der Bank im Sand spielte. Als sie an
mir vorbeiging, schnappte ich ihren Blick auf und wusste schon, was sie dachte. Als sie dann bei Sam stehen blieb, schaute sie erst ihn, dann mich an und sagte: "Wir haben damals noch mit
unseren Kindern gespielt. Wir hatten noch keine Telefone. Damals war noch alles gut."
Noch während ich diese Sätze aufschreibe, bekomme ich schon wieder Herzrasen. Ich bin kein sehr schlagfertiger Mensch und in solchen Situationen bleiben mir die Worte meistens im Hals stecken,
außer bei diesem Thema. Da kann ich nicht anders und muss einfach etwas erwidern, mich vielleicht auch ein Stück rechtfertigen. Ich sagte ihr, dass ich es nicht fair finde, dass sie mich und uns
beurteilt bzw. verurteilt auf der Basis einer Momentaufnahme, die keine Minute andauerte. Dass ich einen Spielkameraden für meinen Sohn organisieren wollte und dass sie gar nicht wisse, wie viel
ich tagtäglich mit meinem Kind spiele. Sie schüttelte nur den Kopf, ging weiter und lies mich mit meinen Gedanken und Gefühlen stehen. Ich war so sauer, denn ich fühlte mich ungerecht behandelt.
Vielleicht auch ertappt, denn ich denke selber oft, wenn ich das Handy in die Hand nehme, ob das wirklich sein muss. Aber wir leben nun mal in einer Generation mit Smartphones und Kinder komplett
davon zu isolieren, finde ich persönlich auch nicht gut, sondern man sollte den Kindern einen gesunden Umgang damit lehren. Smartphone hin oder her, das könnte ein ganz eigener Blogartikel
werden, war ich in der Situation erstmal wütend.
Und obwohl ich etwas gesagt hatte und auch wusste, dass diese Frau unrecht hatte, kreisten meine Gedanken, weiterhin um ihre Worte. Mir fielen noch mehr Argumente ein. Wie zum Beispiel:
"Früher haben die Eltern Zeitung oder ein Klatschblatt gelesen, während ihre Kinder spielten. Früher hat man behauptet, dass Kinder verzogen werden, wenn man zu viel auf ihre Bedürfnisse
eingeht. Früher hat man Kinder regelmäßig geschlagen und Babys zum Schlafen gebracht, in dem man sie einfach hat schreien lassen." Nein, früher war definitiv nicht alles besser.
Ich kenne diese Situation selber, wenn ich im Bus sitze und eine Mama oder einen Papa mit dem Telefon in der Hand sehe, während ihr Kind irgendetwas erzählt. Auch ich denke dann manchmal,
"Oh man, beachte dein Kind doch mal." aber ich würde in diesen Momenten nichts sagen, denn ich kenne die Gesamtsituation nicht. Vielleicht regeln sie in dem Moment gerade irgendetwas
wichtiges, vielleicht schauen sie zu dem Zeitpunkt das erste Mal auf Telefon, vielleicht brauchen sie einfach nur eine kleine Auszeit, weil das Kind einen schlechten Tag hat oder die Nacht kurz
war. Es wäre vermessen und auch respektlos von mir, die Eltern auf Grund dieser einen Situation im Bus zu verurteilen. Wahrscheinlich ist es für mich gerade deswegen so emotional, wenn ich in
einer solchen Situation verurteilt werde. Es ist einfach nicht fair. Bevor wir jemanden in irgendwelche Schubladen stecken, sollten wir alle so fair sein und die Hintergründe der Person und der
Situation kennen lernen. Und wenn das nicht möglich ist, dann sollten wir auch versuchen uns kein Urteil über die Person zu bilden oder von einer Momentaufnahme auf das Leben desjenigen zu
schließen. Bleiben wir offen, respektvoll und mit jeder Menge Freundlichkeit und Liebe im Herzen.
Und zum Abschluss noch eine kleine Situation, die zeigt, dass es auch anders geht und wie schön es ist, nette Worte von fremden Menschen zu hören.
Vor ein paar Monaten habe ich Sam aus der Kita abgeholt und wir sind mit dem Bus nach Hause gefahren. Ich mag diese 20-25 Minuten Busfahrt, da haben Sam und ich Zeit nur für uns. Wir reden,
singen und spielen mit irgendwelchen Figuren/Tieren, die wir mitgenommen haben. An diesem Tag stiegen wir also in den Bus ein, ich schrieb Olaf eine Nachricht, dass wir auf dem Weg nach Hause
sind und machte danach Quatsch mit Sam. Alles wie immer also. Kurz bevor wir zu Hause waren, stiegen 2 ältere Damen aus dem Bus. Ich hatte während der Fahrt schon gemerkt, dass sie uns ein wenig
beobachten. Sie gingen Richtung Tür und drehten sich zu mir um. Eine von den beiden sagte etwas in die Richtung: "Ich muss Ihnen unbedingt etwas sagen. Es ist so schön zu sehen, wie sie mit
Ihrem Sohn umgehen und sich intensiv mit ihm beschäftigen. Das sieht man heutzutage eher selten." Dann stiegen beide aus. Diese Worte bedeuteten mir so viel und haben mich wirklich
glücklich gemacht. Vor allem, weil die beiden Frauen Sam und mich fast eine halbe Stunde beobachtet haben und viel eher einen Eindruck von unserer Beziehung bekommen konnten als z.B. die Dame in
der ersten Geschichte.
Habt einen wundervollen Tag, urteilt nicht zu schnell und macht euren Mitmenschen Komplimente. So können wir die Welt ein klein wenig freundlicher gestalten.
Alles Liebe
Eure Silke
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