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165 € pro Geburt

Wann verdient man in seinem Beruf mehr und wann weniger Geld? Kompetenz? Ausbildungsgrad? Berufserfahrung? Verantwortung? Berufsgruppe? Unternehmensgröße? Zufall?

 

Ich bin über einen Beitrag bei Instagram gestoßen und war so schockiert, dass ich mein Entsetzen in Worte fassen musste. Und weil es zu viel für einen kleinen Instagram Beitrag ist, gibt es seit langem einen neuen Blogbeitrag. Auch wenn es nicht viel mit Fotografie zu tun hat, betrifft es einfach sehr viele meiner Kunden. Ok alle, weil du als mein Kunde ja ein Elternteil bist oder bald wirst. Ich wünsche dir viel Spaß beim Lesen und hoffe, du bist genauso schockiert und vielleicht erreicht dieser Beitrag auch jemanden, der aus der Wut heraus etwas verändern kann.

Ich komme gerade vom Steuerberater nach Hause. Wir haben über meine steuerliche Zukunft gesprochen und die nächsten Schritte eingeleitet. Ein Stundensatz von über 100 € zzgl. MwSt hat mich das gekostet. Aber es hat mir sehr viel gebracht, viele Fragen wurden geklärt, ich habe Sicherheit und Klarheit gewonnen, weil ich mich an einen Experten gewandt habe, dem ich vertraue und der mich unterstützt.

 

Nun bin ich zu Hause bei der Arbeit und kann diesen Artikel hier schreiben, weil meine Kinder in der Kita sind und ich weiß, dass sie dort gut betreut sind. Ich kann den Menschen dort vertrauen und fühle mich unterstützt.

 

Bei der Geburt meines Sohnes hatte ich viel Glück und eine Hebammenschülerin, die kurz vor ihrer Abschlussprüfung stand, war die ganze Zeit bei uns. Ich dachte damals, das sei normal, um später von Freundinnen zu erfahren, dass sie die meiste Zeit alleine im Kreißsaal waren. Bei der Geburt meiner Tochter habe ich mir eine Beleghebamme geleistet, weil ich wieder so gut betreut werden wollte. Ich schreibe extra ‘geleistet’,  weil es für uns damals viel Geld war, dass wir aus der eigenen Tasche bezahlen mussten. Und wir hatten auch das Glück, überhaupt eine Hebamme bekommen zu haben.

 

Aber auch hier galt, ich hatte einen Profi an meiner Seite, jemanden, der mich unterstützt, für mich da ist und dem ich vertrauen kann.

 

Warum schreibe ich das alles?

 

Weil ich mich gerade unfassbar aufgeregt habe. Den ich habe einen Beitrag auf Instagram gelesen. Sissi Rasche ist Hebamme in Berlin und finanziert ihren Beruf mit einem anderen Unternehmen, Podcast und einer großen Reichweite auf Instagram. 

 

Richtig.

 

Sie finanziert sich ihren Beruf. Sie ist aus dem Vertrag der gesetzlichen Krankenversicherung ausgestiegen und arbeitet nicht mehr in Krankenhäusern, weil die Bezahlung einfach so unfassbar erniedrigend ist. 165 € brutto bekommt eine Hebamme pauschal für eine Geburt von der Krankenkasse. Pauschal…

 

165 €.

 

Pauschal.

 

Für eine ganze Geburt.

 

Ich dachte, ich falle vom Glauben ab. Ich wusste, dass Hebammen wenig verdienen und dass es ein neues Gesetz geben soll, bei dem Krankenhäusern die finanziellen Mittel für Hebammen gestrichen werden sollten. Und dass die Versicherungen für Hebammen so horrend teuer sind, (damit sie abgesichert sind, falls bei einer Geburt etwas schief läuft) dass viele sich das nicht mehr leisten können und wollen und dementsprechend keine Geburten mehr betreuen.

 

Aber 165 € pauschal für eine Geburt???

 

Wie egal kann einem Staat seine Kinder, seine Zukunft sein? Deutschland so ‘JA’

 

Mit den Hebammen fängt es an. In der Kita mit den Pädagogen geht es weiter und endet mit der Pflege von kranken und alten Menschen.

 

Wie oft habe ich schon gehört, dass eine Führungskraft, ein Manager oder sonst jemand in einer höheren Position eines Unternehmens deswegen so viel Geld bekommt, weil er oder sie ja eine höhere Verantwortung hat. Da hängen dann große Summen an Geldern/Gewinnen dran oder die Anstellung mehrerer Mitarbeiter.

 

Aber ganz ehrlich, die Verantwortung für eine Geburt, also für das Leben eines neuen Menschen, die Verantwortung von Pädagogen in der Kita oder den Pflegekräften in Krankenhäusern und Altenheimen ist doch einfach mal so, so viel höher. Ich meine, dort werden Menschen betreut, die abhängig vom Fachpersonal sind. Die entweder noch so jung oder so alt oder krank sind, dass sie nicht für sich selbst sorgen können. Dort geht es um Menschenleben und nicht um Geldsummen. 

 

Warum müssen unsere Pädagogen so hart dafür kämpfen, 200 € mehr im Monat zu bekommen, während die Ausgaben für die Bundeswehr sich jährlich in Milliardenhöhen bewegen.

 

Und obwohl die Mitarbeiter in Kitas so schlecht bezahlt werden, müssen Eltern je nach Bundesland für die Betreuung ihrer Kinder so viel zahlen, dass manch einer sich die Fragen stellen muss ob er sich das überhaupt leisten kann, seiner Berufung zu folgen und wieder zur Arbeit zu gehen, wenn doch das gesamte Teilzeitgehalt für die Betreuung der Kita drauf geht. 

 

Dass die Betreuung der Kinder ein Loch in die sowieso schon kleine Haushaltskasse reißt, ist doch nicht zu glauben. Und dann sind die Menschen, die auf die Zukunft unseres Landes aufpassen, einfach komplett unterbezahlt und überarbeitet.

 

Ich verstehe es einfach nicht und mich macht das furchtbar wütend.

 

Berufsgruppen, die noch 2020 als einzig wirklich systemrelevant eingestuft worden sind. Als quasi alles lahmgelegt wurde und nur die wirklich wichtigen Strukturen aufrecht erhalten worden sind, waren es genau diese seit Jahren komplett unterbezahlten Berufsgruppen, die weiter arbeiten musste, deren Kinder nur in die Notbetreuung durften, damit das öffentliche Leben nicht komplett zusammen bricht. Für diese Berufsgruppen wurde applaudiert, um sich solidarisch mit ihnen zu zeigen. 

 

Wie kann die Gesellschaft und die Politik so schnell vergessen? Wie kann es sein, dass während und nach Corona nicht Milliarden in das Gesundheitssystem gesteckt wurden? Und zwar nicht für einmalige Corona Boni (wovon die Hälfte mit den Steuern zurück an den Staat geht) sondern mit echten Gehaltserhöhungen, Milliarden Teuren Werbekampagnen um die Meschen zu dieser Ausbildung zu bewegen und so dauerhaft die Arbeitslast auf mehr Schultern zu verteilen.

 

Nein, stattdessen werden finanzielle Mittel in Krankenhäuser gekürzt, Pädagogen in Kitas müssen sich mit Streiks Gehör verschaffen, damit man ihnen doch ein Mü entgegen kommt und die Eltern werden dadurch auch wieder weiter belastet, weil die Kitas schließen und man neben der ständigen Kindkranktage auch noch Streiktage abdecken muss.

 

Apropos, schön ist es auch, dass die Kindkranktage, die man jährlich nehmen kann, zwar erhöht wurden, danke dafür. Leider redet kaum einer davon, dass man nur 90% seines Gehalts bekommt (166,38 € Höchstsatz). Es ist alles finanziell klüger, sich selbst krank als sich Kind Krank zu melden. Aber das ist ja wieder eine andere Geschichte…

 

Leider verstehe ich selber einfach zu wenig von Politik, als dass ich hier kluge Lösungsansätze bringen könnte. Aber ich denke, dieses Thema sollte omnipräsent in der Gesellschaft sein und das ist es noch nicht. Immer nur dann, wenn die Kacke am Dampfen ist, wird sich eine kurzfristige Lösung überlegt, damit alle besänftigt sind und danach alles so weiterlaufen kann wie bisher. 

 

Pflegenotstand, Betreuungsnotstand, Eltern am Limit…

Huch so eine Überraschung, das hat man gar nicht kommen sehen...

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